Tom Haydn und Hellers musikalische Konfiserie |
Es ist das Jahr des Tom – mit allen seinen musikalischen Facetten. Deutschlandweit. Pikanterien in Berlin und jetzt Heller in Koblenz. Und dann umgekehrt, bitte, – und alle freu’n sich und alle sind glücklich. Wetten? Vielleicht sind sie leicht lampenfieberig angereist, vielleicht aber auch mit gebührend stolz geschwellter Brust aus den vergangenen Erfolgen und einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein. Oder einer Mischung aus allem. Am Schluss löste sich jedenfalls alles in einen endlosen Applaus, einer Dankeshymne, einer Zu-Zugabe „Wann, wenn nicht jetzt“ ein Bad in Beifallsstürmen. Ein grandioser Abend, ein erfolgreicher Einstand auf den Brettern des Café Hahn war zu Ende! Herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Erfolg! Vielleicht ist sie ein Vorteil, diese kribbelige Anspannung, weil Tom und sein großartiges Ensemble dieses Haydn-singt-Heller-Programm lange nicht gespielt haben. Deshalb fällt dem Soundcheck noch ein bisschen mehr Wichtigkeit zu, schon allein, um den unbekannten Raum wohldosiert und wohlklingend zu füllen. Mein Gott, was da an Vokabeln hin und her fliegt, Textfetzen, Musikknubbel… noch ziemlich weit entfernt von Konzert. Da ist von Bass- und Kellertönen die Rede, Resonanzen bei 280 und 500 oder so… Musik wird seziert und zusammengefügt und alle wissen Bescheid. Vielleicht liefert diese Spannung und die Lust aufeinander die Extraportion Adrenalin für diese „musikalische Konfiserie“, wie Tom so treffend sagt. Sahnehäubchen hier, Zartbitterschokolade dort. Und Sachertorte. Hochfeine Köstlichkeiten an Akkorden und Improvisationen schmücken das Hellersche Repertoire wunderbar aus. Man probiert sich, lädt ein, fordert und treibt an. Haydn-singt-Heller titelt das Programm, aber es ist viel mehr, es geht tiefer. Tom taucht ganz tief ein in seine Heimwehwelt, überzeugt durch sein ganzes Ich, überlässt sich ganz seiner Intuition. Wenn er sich traut, dieses letzte Bisschen zu geben, es herauszulassen, dann werden die Lieder André Hellers zu einer neuen Wahrheit. Da ist einerseits diese atemberaubende Leichtigkeit, andererseits viel Gefühl verpackt in verzaubernden Charme. Perfektes Gleichgewicht aus Emotion und Pathos. Trau dich, Tom, lass es einfach geschehen! Schwups – schon ist diese magische Verbindung hergestellt, das unsichtbare Netz von feinsinnigen Stimmungen und Gefühlen hat das Publikum schon eingefangen. Es wartete in gespannter Stille auf die „... wahren Abendteuer sind im Kopf“… Dramatischer Beginn, Toms Stimme noch hinter dem schweren Vorhang, ein irritierender Klangteppich trägt sie auf die Bühne. Dann schwingt sich Tom in ein federleichtes „Und dann siehst du sie“ und lockt das Publikum in seine Welt. Vollendete Lautmalerei und Bühnenpräsenz, darstellende Kunst im wahrsten Sinne, musikalische Filigranspinnerei auf allerhöchstem Niveau mit spitzbübischer Spielfreude zelebriert. Die ersten verhaltenen Lacher aus dem Publikum versprechen „Ja, wir sind dabei!“ Ich habe diesem Programm einige Male zugehört. Es hat eine beeindruckende Entwicklung genommen. Zu Beginn war es „spielen“, jetzt ist es „sein“. Das Publikum heute Abend spürt diese Echtheit wohl ebenso, in den Gesichtern sehe ich stilles Entzücken und wie nah sie dabei sind. Es gibt mächtige KuK-Donauwellen und gassendreckigen Rag, flotten Charleston und samt fließende schwülstige Walzer und zarte Liebesspiele - alles erlaubt, alles drin. Und Ideen haben die! Kettenrasseln und das Schnipp-Schnapp einer Schere – da kann nur Thomas Simmerl am Werk sein. Knochentrocken kommt der „Dritte Mann“ oder scheppernd das Banjo – das zupft Ricardo Pavone alias Richard Kleinmaier. Wenn Gläser drohen zu zerspringen, streicht Jessica Hartlieb die Geige, und wenn Klänge zu Bildern werden und Töne wie Luftspiegelungen flirren, sind Jo Barnikel und Norbert Nagel an den Tasten und Gebläsen zuständig. Luftig schwer oder mächtig leicht – beides geht in Ordnung. Nix zu viel und nichts was fehlt. Diese Lieder André Hellers sind pralles, volles Leben. Ich sehe darin tausend Rot. Und Tom und seine Musiker bringen es zum leuchten. Sie zaubern das richtige Licht. Strahlender Sommerhimmel oder flackernder Kerzenschein oder mit langen Schatten. Das Programm baut einen Spannungsbogen von schmissiger Kaffeehausmusik, Träumereien, klangvoll poetisch verpackten Liebesschwüre bis zu tiefer, bodenlos herzzerreißender Traurigkeit. Es verlangt unsereinem viel ab. Nix mit Nebensächlichkeiten, Halbherzigkeiten, Beihergeplänkel. Volle Aufmerksamkeit, erleben, erleiden, erfühlen. Bis in die letzte Herzfaser. So auch heute Abend. Nicht so viel denken, fühlen!!, gilt gleichermaßen für Musiker und Publikum. Nicht weniger möchte ich nicht haben. Das Hahn applaust und fordert lautstark Wieieieiederkommmmmmen! Seit ein neuer Kalender an der Wand hängt, ist Tom Haydn sehr präsent. Das Jahr des Tom hat gerade erst begonnen.Fotoalbum Konzert |
Christel Amberg-Wiegand für www.erlebtemusik.de |