Gedankenspieler und Wortschöpfer - Tageslichtgeblendete Nachtschattengewächse

Fortsetzung:

Der Beginn ist noch etwas verhalten, das Feeling braucht einen Moment länger bis dieser sensible Punkt zwischen Band und Nachtschwärmern austariert ist. Doch spätestens nach der Pause ist das "überschaubare" Bonner Publikum angekommen. Die Könige der Nacht setzen genau da auf, wo sie im vergangenen Jahr ihre Reise beendet haben und führen auf gleicher Höhe oder Tiefe?? weiter in dunkle trübselige bittere halbwahnumnebelte oder liebestrunkene nächtliche Gedankenwelten. Hat 'ne magische Anziehungskraft, der kann ich mich einfach nicht entziehen.

Ich fühle mich gleich nach zwei Nummern sehr wohl in diesem neuen Programm, das "Vampirgefühl" stellt sich zwangsläufig ein. Die Buttertöne aus dem Sax und der Bassklarinette erzeugen immer noch die schönsten Schauer. Und wenn dann noch die Bühne in sattes rotes Licht getaucht ist und Jächt "Bleib hier" singt-spielt-performed .... leicht jazzig, tief bluesig, knistert schon die Luft ein bisschen... Die Fortsetzung einer Verführung.

Alles noch ein kleines bisschen zu frisch, zu sauber vielleicht, da ist noch jede Menge Raum zum Atmen... suchen, sich treiben lassen, finden, ... fliegen .... abheben .... sich wegträumen..... Überhaupt - Fliegen ist so 'ne Nummer, da möchte ich wirklich grad in mich zusammenfallen, ... alles verloren, alles misslungen, nichts mehr verlässlich, keine Konstante mehr, Auflösung total, nichts bleibt, die Gitarre zieht mich wie an einer Schnur davon.

Die bösen Buben haben es tatsächlich gewagt, "Nie getanzt" anzufassen! Diese Überfliegernummer, jedesmal wenn ich diesen warmen tiefen Ton des Sax höre, überfällt mich eine Gänsehaut. Und dieses Juwel ist noch! noch noch!! schöner geworden. Mit 'ner Stones-Nummer im Mittelteil "You can't always get what you want", nichts passt besser, abgefahren, losgelassen, schrill das Sax und selbstverständlich absolut Stones-würdig machen die Jungs den Himmel auf und finden sich nach 'ner Ewigkeit wieder ".... ich baute Dir einen Altar....", traurig, resigniert, wehmütig... Dirk groovt locker im Knie und dann schleichen sie sich alle nacheinander raus aus der Nummer in eine kleine Stille. Das ist fast nicht zu ertragen! Aber ich würde was drum gegeben, es nochmal zu hören, als Zu-Zu-Zugabe.

Es fällt mir ziemlich schwer, diese Musik zu beschreiben. Man muss einfach dabei sein, sie erleben und erfühlen. Vielleicht sind's ganz nüchterne nackte Worte der Musiksprache, die allgemein gültig sind, die eine gewisse Ordnung festlegen, Regeln folgen. Ein bisschen jazziger ist's geworden, angenehm, überhaupt nicht anstrengend zu hören. Höchstens gelegentlich ungewohnt - noch. Jächt füllt den Raum und die Bühne total. Sich in Gefahr begeben ... eintauchen, sich verlieren, Seele und Herz zeigen, verwundbar sein in Text und Musik ... das kann niemand so intensiv, bis an die Schmerzgrenze fast.

Dirk hat eine Musik dazu erfunden, die genau sowas braucht, aufnimmt, zulässt. Die Kapelle baut mit viel Feingefühl die Klangwelten. Schafft Intimität ohne Effekthascherei. Sehr hintergründig und doch sehr präsent. Klaus Mages überrascht sogar mit einem sehr ausgedehnten Drumsolo. Markus Winstroer wirkt oft wie in sich gekehrt, lässt niemals zu viel raus, doch der Beifall für seine Saitenkünste lassen ein Lächeln enthuschen. Das Banjo ist ja auch ein kleiner Geniestreich. Hinrinch Franck an den Tasten macht nicht nur die Hafenstimmung hörbar. Jächt wie schon vor einem Jahr absoluter Soul of the Night und Dirk das Musikmastermind überhaupt. Die beiden dominieren natürlich, prägen das Bild. Und alle sind "Perlentaucher" in der nächtlichen Tiefsee. Tiefenrausch garantiert.

Die neuen Songs sind schon beim ersten Mal Hören fiebertauglich. Nicht einer, der Gefahr läuft, der Skip-Taste zum Opfer zu fallen. "Sadly", "Kleine Fluchten" und "So fern" bekommen schon jetzt einen Platz auf einer weiteren Goodies-CD reserviert!.

Und klauen können die Jungs auch! Stilvoll selbstverständlich! Richtig witzig gemacht, Theo Mackebens Schlager aus den 30ern "Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da". Parade am Bühnenrand. Klaus Mages ist gewappnet mit einem Waschbrett und weißen Spikeshandschuhen. Dirk verlässt dafür sogar seinen Stammplatz. So zelebrieren sie den Gassenhauer der 30er Jahre. Fehlt nur noch das Salonorchester, die Federboa und das Ballett. Köstlich. Hinreißend schmutzig und frech.

Was kann noch kommen? Womit schicken sie uns in die Nacht? "Zeit" - ewiger Fixstern am Nachthimmel. Kniezitternummer nochmal zum Schluss, die Nacht erwartet mich und ist noch lang...

Christel Amberg-Wiegand für www.erlebtemusik.de