Fleeje jonn, nie mieh lande .....

Fortsetzung:

Bei wem soll ich mich also beschweren? Charly-Bernd-Hans-Helmut? Oder bei den Brautleuten höchstselbst? Selbstmitleid ist völlig unangebracht, wenn ich jetzt hier sitze und krieg den Kopf nicht still, weil da immer einer singt ...... lommer fleeje jonn, nie mieh lande, wat jöck mich dä Daach drop ... Zwei Daach jöcke och nit, wie komm' ich also wieder runter von der Palme? Will ich das überhaupt? Vielleicht hilft Hypersensibilisieren? CD also rein in den Player, mal sehen, wie lange ich den wunderbaren Schmerz aushalten kann. SO! muss 'ne Live-CD klingen! Und nicht nur wegen der Sympathiebekundungen seitens des Publikums. Hört her ihr Studiofriggelfreaks wie es gemacht wird, die erotisierend hochexplosive Stimmung ist direkt fühlbar. Musikpheromone. Klein, dicht, eng, heiß ..... gefangen in den Wänden des Yard-Clubs. Tanzbrunnen ist ein Fest, grooooß, Sommerfeeling, heiß in d'r Stadt, der Hauptsponser für's Wetter läßt sich nicht lumpen! Es ist also nicht die leiseste Spur harmloser als beim Polterabend!

In großer Weisheit entschieden, geht's schon früh los um sieben, sind nur drei Stunden bis zehn und das wird gerade so reichen an Zeit. Nach dem Ankitzeln mit "Kamell vum letzte Johr", lecker, herbscharfsüßbitter, gibt’s Schlag auf Schlag ein 31-Gänge-Menü! Die dramaturgisch im fast falschen Moment abgeschickten Kamelle und Strüßcher werden so eben nur von der Bühne aufgelesen, bevor ein wahres Feuerwerk auf uns niedergeht! "Kopp en d'r Sand" macht gleich mächtig an, ist schon irgendwie fast provozierend. Andrenalinspiegel hochgepuscht und es geht nur so! Null Chance für Seichtmukke-Morgenwecker-Musikliebhaber! Jächt und seine Jungs bitten drei Stunden mit geballter Musikladung ohne großen Firlefanz knackig frisch und frech zum Tanz! Ein Rundumschlag aus 25+1 Jahre Köster-Hocker-Geschichte! Perfekt abgestimmte Mischung aus Neuzeit und schönster gemeinsamer Vergangenheit des Jubelpaares! Ohne Rücksicht auf die Empfindlichkeiten auf der anderen Rheinseite "nein, wir sind nicht zu leis', denen sind wir noch zu laut" legen sie mit "Fette Ratten" ein Höllentempo vor, Vollgas, Augen zu und durch. Liebeslied, Ballade, Ballade, Rumba, Salsa, Blues, fetziger Rock, alles das! Und alles stimmt! Hunderprozentig. Punkt. Atemlos! Da haut der Herr Winterschladen ein Sax raus, abgekippt, übergeschnappt bei "Gute alte Liebe", erzeugt wohliges Magenflimmern bei "Ze vill Jepäck" und "Mord ohne Hass" und mit einem rotzfrechen Gebläse bei "Freaks" ein bungeejumping der Glücksgefühle - ich könnt' schier zerbersten! Überhaupt - dieses Gebläse!!!! Ich halt's kaum aus! Geflügeltes Wort inzwischen "es nagelt soooo schön", wortspielerisch abgeleitet nach einem ebenso begnadeten Kollegen aus Berlin, u.a. Chef des BSE, Berliner Saxophon Ensembles, – größtes Lob und höchste Verehrung also für Bernd W. Er bekommt dafür immer wieder Szenenapplaus, genau wie der phantastische Friese mit der coolen Sonnenbrille neben ihm. Alle Mann sind so gut drauf, das ist fast schon unanständig. Aufreizend, erregend, aufwühlend, Endorphine in gefährlich hoher Dosierung! Nix für Gleichstrom im Hirn! Mir fehlen echt die Worte! Im Gegensatz zu Jächt! Wie er sich immer in die Lieder reinquatscht, scharfzüngig, witzig sich die Bälle zuspielt .... von den Hüften aus Kautschuk und der Stimme ganz zu schweigen! Was da abgeht, ist unglaublich! Jürgen Fritz lustwandelt zwischen dem großen Flügel links und den Keys mit der fetten Schweineorgel rechts. Dieser typische Hammondorgelsound hat sich seit John Lords "Child in Time" für ewig in meinem Hirn festgeklebt! Charly T. – eine Instanz hinter seinen Gerätschaften, hat einen mächtigen Wumm drauf und klöppelt auch mal zart dosiert wenn's gilt. Hans Maahn setzt wie immer präzise mit einer Leichtigkeit und sehr cool den Bass dazu. Frank hat wie gewohnt eine ganze Batterie von Gitarren am Treiben, setzt damit unverkennbar jedem Song seinen Stempel auf und liefert sich herrliche Battles mit Helmut. Und singen kann er, der Frank-Günter! "Into the Mystic" klingt genau so. Irgendwie relaxed, bluesig, zwischen den Welten. So zaubert er mit den Herrn Kollegen ein ganz spezielles Feeling in die untergehende Sonne. Sonst liefert Frank auch gern mal eine Schippe Schmutz zusätzlich in die Vocals!

Immer wieder auf's Neue eine Freude, die aufgeschriebenen Zeugnisse von Kommunikation vor dem Handyzeitalter. Kann irgend jemand anders als Frank die Worte Express, Stadtanzeiger und Schabbau so ins Volk werfen? "Nachtgedanken", genüsslich vorgetragen und mit schwülem Kneipenblues unterlegt ein absoluter Hochgenuss! Und ich bin immer noch nicht sicher, ob in den Büchern tatsächlich Worte stehen. Ein bisschen Zeit zum downcoolen nur, Helmut K. kommt mit hinzu für die "Satire" und ein zu Pianos Zeiten als tapferes kleines Lied geborenes "Ei Mädche"! Nun isses groß, das Mädel, betörend und gefährlich schön! Vor den "Buuresäu" sei allerdings gewarnt! Schluss mit abdampfen! Der satte fette Sound und der komplette Tanzbrunnenchor lassen die Magenwände zittern! "Kleine Mann". Groooooß! Dann die erste Übernummer des Abends, "Nach dem Happy End"! Testosteronausstoß steigt gefährlich an! Gefühlscocktail nix für Labilitäten. Helmut K., der Saitenhexer mit Ganzkörpereinsatz erntet riesigen Applaus!!! Nur gut, dass "Helja" als Retterin unterwegs ist, tempo, scharfer straighter Rock, geradeaus und schnörkellos. Das war bei "Städte" auch schon so ne scharfe Angelegenheit, Stillstehen geht da nicht, unmöglich, trotz Hitzepein, Sonnen- und Ozonüberschuss. DAS IST DER HAMMER! Später auch "Midnight Radio", genau so'n Ding ist "Alles im Griff"! Wer da ruhig stehen bleiben kann, muss aus Stein gebacken sein!

F*-durst, das hier ist doch der reinste Energydrink! Die sieben Schamanen da oben auf der Bühne lassen Energien fließen, da kann ein Reikimeister nur von träumen! Allumfassende Lebensenergie gespendet von Köster/Hocker & Co.! Dopingwirkung haben auf jeden Fall auch "Waltzing Mathilda", "Nohbarschaff" und natürlich der Roadrunner "Rude Jolf", der dann zum jääle Smart mutiert. Auf dessen Rücksitz geht’s munter zu, wenn man Jächts Schilderungen beim Vorstellen der Band glauben darf. Die Textzeilen von den Backdrops auf der Bühne sind wohl alle verbraucht. Den letzten Angriff auf meine Standfestigkeit läuten sie mit "1000 Johr" ein und setzen ein "Maach Op" hinten drauf, da bleibt mir nur noch kraftloses Zusammensinken über dem Absperrgitter. Das kribbelt so schön in die Bauchnabel! 1000 Johr älter und Jungbrunnen zugleich! Bis auf Weiteres ist jegliche andere musikalische Nahrungsaufnahme unmöglich, ja verweigert! Außerdem muss ich ständig auf meinen Kopf aufpassen, einen Meter über dem Boden schwebend, stoße ich dauernd an die Decke. Schmerzempfindlichkeit gleich Null, ein höchst angenehmer Zustand so losgelöst von allem. Bin ich schon wieder gelandet? Boden unter den Füßen? Will ich das überhaupt? Eindeutig und für lange Zeit gültige Anwort: NEIN!

Christel Amberg-Wiegand für www.erlebtemusik.de

 zum Fotoalbum